Hi Reza, Du bist Mitgründer von Umweltify. Was macht Euer Start-up eigentlich?
Wir sind eine Climate-Tech-Plattform. Unser Kernprodukt heißt Synergy OS, ein Betriebssystem für die grüne Wirtschaft. Damit können Unternehmen ihre strombezogenen Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette erfassen, transparent berichten und bis zu 100-mal schneller als mit herkömmlichen Methoden reduzieren. Unsere Kunden erhalten automatisierte Berechnungen, übersichtliche Dashboards und Reporting-Tools, die sie dabei unterstützen, das Engagement ihrer Wertschöpfungspartner (Lieferanten, Mitarbeitende und Nutzer) zu stärken und dabei auch wirtschaftlich zu profitieren. So kann zum Beispiel eine Streamingplattform sichtbar machen, welche Nutzer grünen Strom verwenden, und sie dafür direkt in-App belohnen.
Wie würdest Du Eure Vision in einem Satz beschreiben?
Unsere Vision ist eine nachhaltige Welt mit 100 % Strom aus erneuerbaren Quellen.
Was war der Auslöser oder das Problem, das Euch zur Gründung inspiriert hat?
Ich war Senior Energy Advisor to the Minister in Afghanistan. Damals stagnierte das Stromangebot auf niedrigem Niveau, während die Nachfrage immer weiter stieg. Ich fragte mich, wie man diese Situation verbessern konnte und mir fiel auf, dass viele ineffiziente Elektrogeräte im Umlauf waren, die den Stromverbrauch nach oben trieben. Die Hersteller verdienten an ihren Produkten, mussten aber nicht für ihren hohen Stromverbrauch nach dem Verkauf einstehen. Die Frage war: Warum werden sie dafür nicht in die Pflicht genommen?
Genau diese Thematik ist heute eine der wichtigsten Herausforderungen der Klimakrise. Denn ein Großteil der Emissionen entsteht nicht in der eigenen Produktion, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette und im Lebenszyklus der Produkte. Immer mehr gesetzliche Regelungen (z.B. die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) oder das Lieferkettengesetz) verlangen von Unternehmen, diese Emissionen offenzulegen und zu reduzieren. Deshalb haben wir mit Umweltify Synergy OS entwickelt: um Unternehmen die nötigen Werkzeuge zu geben, diese Verantwortung wahrzunehmen und effizient umzusetzen.
Wie sieht Euer Team heute aus und wie ergänzt Ihr Euch in der täglichen Arbeit?
Wir sind ein Team aus zwei Gründern. Ich bin studierter Elektroingenieur mit Erfahrungen in den Bereichen Energie und Nachhaltigkeit. Mein Mitgründer Saleh ist ebenfalls studierter Elektroingenieur mit MBA und großer Erfahrung im Bereich Software-Entwicklung. Wir ergänzen uns in unserer Arbeit sehr gut, da ich eher ein Stratege bin, Saleh hingegen eher ein Macher.
Wie erlebt Ihr den Alltag im Start-up zwischen Produktentwicklung, Finanzen und Kundensuche?
Für uns ist diese große Mischung das, was das Leben im Startup ausmacht und es so interessant macht. Dadurch zeichnen wir uns als Gründer aus: Wir sind immer an vielen Fronten gleichzeitig aktiv und stellen uns der Verantwortung, um langfristig etwas Großes zu schaffen.
Wie sieht Dein persönlicher Weg in die Gründung aus?
Im Mai 2022 bin ich nach Deutschland gekommen, nachdem die Taliban in Afghanistan wieder an die Macht gekommen sind. Meine Frau hat bereits an der UdS studiert und mein Sohn und ich sind nachgezogen. Ich habe zunächst als Angestellter gearbeitet, aber schnell gemerkt, dass das nichts für mich ist. Dann bin ich auf das Programm „Perspektive Neustart“ gestoßen, das Migranten bei der Gründung unterstützt. Ich habe Deutsch gelernt und grundlegende BWL- und Gründungskenntnisse vermittelt bekommen. Außerdem habe ich mir ein Netzwerk aufgebaut, Triathlon kennengelernt und bin so Teil der saarländischen Gründungsszene geworden.
Welche persönlichen Eigenschaften oder Denkweisen helfen Dir heute im Startup-Alltag besonders weiter?
Ich glaube, die wichtigste Eigenschaft ist Resilienz: Eine Startup-Gründung ist nicht einfach, besonders als Migrant. Man muss zurückstecken können, ohne sich aufzugeben. Das hilft einem dabei, immer nach vorne zu schauen und sich für eine bessere Zukunft einzusetzen.
Gibt es Eigenschaften an Dir selbst, die Du im Gründungsprozess neu entdeckt oder anders wahrgenommen hast?
Ich habe gelernt, schneller Entscheidungen zu treffen und stärker zu priorisieren. Im Startup muss man ständig zwischen Strategie und Umsetzung wechseln. Das hat mir gezeigt, dass Pragmatismus oft wichtiger ist als Perfektion.
Was war eure bisher größte Herausforderung und wie seid Ihr damit umgegangen?
Für uns war es anfangs besonders herausfordernd, Glaubwürdigkeit aufzubauen, vor allem, weil man beim Neuanfang in einem neuen Land sein ganzes berufliches Netzwerk verliert. Man muss alles von Grund auf neu aufbauen: Kontakte, Vertrauen und Sichtbarkeit.
Gibt es einen Fehler, der dir beim Gründen so nicht nochmal passieren würde?
Anfangs waren wir in der Präsentation von Umweltify viel zu technisch, weil wir in die Details rund um unser Geschäft vertieft sind. Außenstehende konnten uns oft nicht folgen, wir haben es ihnen zu kompliziert gemacht. Wenn man von uns zum ersten Mal hört, braucht man simple und nachvollziehbare Erklärungen. Das ist eine dauerhafte Challenge. Wenn dein Zuhörer nicht direkt versteht, was du machst, hast du verloren.
Was würdest Du jemandem raten, der oder die sich gerade mit dem Gründen auseinandersetzt?
Ich kann jedem nur raten, sich neben der Produktentwicklung und ähnlichem ausführlich mit dem Teambuilding auseinanderzusetzen. Meiner Meinung nach ist ein gutes Team deutlich wichtiger als die Gründungsidee. Deswegen meine Empfehlung: Finde Mitgründer, die kompetent sind, sich ergänzen und am wichtigsten: an die Idee glauben.
Wie blickst Du heute auf den Schritt in die Selbstständigkeit zurück und was hätte Dir am Anfang geholfen?
Ich bin froh, den Schritt in die Startup-Welt getan zu haben. Am Anfang hätte größere finanzielle Unterstützung uns dabei geholfen, unsere Lösung schneller und effizienter auf den Markt zu bringen. Dadurch, dass uns anfangs finanzielle Mittel gefehlt haben, hat sich das Projekt verzögert und dadurch insgesamt noch mehr gekostet.
Wenn Du jemanden zum Mittagessen treffen könntest (tot oder lebendig), um über Unternehmertum zu sprechen: Wer wäre das und warum?
Ich würde gerne einmal mit Peter Thiel zu Mittag essen, er ist eine unglaublich spannende Persönlichkeit. Thiel ist Mitgründer von PayPal und einer der bekanntesten Tech-Investoren im Silicon Valley. Mich faszinierten sein strategisches Denken und seine Fähigkeit, große Zusammenhänge früh zu erkennen. Durch seine Vorträge und Interviews auf YouTube habe ich schon viel von ihm gelernt, aber bei einem persönlichen Gespräch würde ich sicher noch einige überraschende Antworten auf meine Fragen bekommen.
Was motiviert Dich an Tagen, an denen nichts so richtig klappt?
Wenn ich an unsere Vision denke, bekomme ich meine Motivation zurück. Wir wollen mit Umweltify einen echten Beitrag zur Energiewende leisten und das gibt mir selbst an schwierigen Tagen die Kraft, weiterzumachen.

